08.03.2023

#StadlerEngineers Pt.2 – Frauen in (High)Tech

In unserer #StadlerEngineers Reihe stellen wir Euch im März einmal wöchentlich Geschichten aus unseren Ingenieurs-Teams vor. Anlass dazu ist der UNESCO World Engineering Day am 4. März, der dieses Jahr zum fünften Mal stattfand.

Beginnen wir diesen zweiten Teil der #StadlerEngineers-Reihe mit einer kleinen Einführung in das deutsche Schienennetz. Etwa 61 Prozent der deutschen Schienen sind elektrifiziert, also mit Oberleitungen oder Stromschienen versehen. Bei den mit elektrischem Antrieb zurückgelegten Kilometern ist der Anteil hingegen höher: Rund 74 Prozent der gefahrenen Kilometer werden laut Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit Strom zurückgelegt. Das liegt daran, dass vor allem die vielbefahrenen Strecken eine entsprechende Elektrifizierung erhalten, da sich die vergleichsweise hohe Investition wirtschaftlich rentieren muss. Die seltenen befahrenen Strecken – also vor allem jene im Nahverkehr – sind meistens nicht elektrifiziert. Züge, die diese Strecken passieren, müssen zwangsläufig anders angetrieben werden. Üblicherweise kommt dieser „nicht-elektrische“ Antrieb durch Dieselmotoren zustande.

Nun gehört es zu dem Berufsfeld von Ingenieurinnen und Ingenieuren, bestehende Probleme zu erkennen und nach Lösungen zu suchen. Eine augenscheinliche Lösung für das Problem liegt im Akku-Betrieb – einer Technologie, die der Grundidee nach übrigens keineswegs neu ist.

Als sich 1940 die Schweiz durch die Gegebenheiten des 2. Weltkrieges isoliert sah und die Versorgung mit Erdöl und Kohle nicht mehr gesichert werden konnte, setzte die damalige Regierung auf elektrische Energie aus Wasserkraftwerken: Diese konnte in Alpenland in großen Mengen produziert werden und war von Lieferungen aus dem Ausland unabhängig.

Firmengründer Ernst Stadler erkannte in seinem Ingenieursgeist die Gelegenheit und begann mit dem Umbau von Benzinfahrzeugen auf Batteriebetrieb. So entwickelte er bereits 1943 im „Ingenieurbüro Stadler“ den ersten batteriebetriebenen Schienentraktor.

Elektroantriebe haben bei Stadler also eine lange Tradition, deren Erhalt darin besteht, sie stetig zu optimieren. Diese Optimierung führte in der Unternehmensgeschichten zu diversen Meilensteinen, von denen einer noch gar nicht so lange zurückliegt.

Ein ungeplanter Weltrekord

Im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts entwickelte Stadler einen Akku-Zug, der als Hybridlösung fungieren sollte: Während der Antriebswagen auf nicht-elektrifizierten Strecken unterwegs sein sollte, würde ein Akku die benötigte Energie liefern. Sobald der Zug wieder einen elektrifizierten Streckenteil befuhr, sollte der externe Strom nicht nur den Zug befördern, sondern zeitgleich die Batterie laden. Eine mögliche Lösung also, für das unterschiedlich beschaffene Schienennetz in Deutschland.

Überwiegend in Berlin entwickelte ein Team drei Jahre lang den Prototypen „FLIRT Akku“, der mit einer Reichweite von 80 Kilometern die meisten der nicht-elektrifizierten Strecken des deutschen Schienennetz bedienen sollte. Schon gegen Ende der Entwicklungszeit zeigte sich jedoch, dass diese 80 Kilometer mit reinem Batteriebetrieb noch lange nicht das volle Potential des Prototyps ausschöpften.

„Auf der Strecke nach Stralsund merkten wir auf einmal, die Reichweite der Batterien ist viel höher, als wir gedacht haben“, beschreibt etwa Evelyn Thiel, technische Projektleiterin des FLIRT Akku, die erste Testfahrt.

Im Mai 2021 fuhr ein FLIRT Akku 185 Kilometer weit und bereits ein halbes Jahr später, im Dezember 2021 wurde unter den Augen externer Prüfer eine Strecke von 224 Kilometern mit nur einer Batterieladung zurückgelegt – Weltrekord.

Ungewöhnlich an der Entwicklung des Rekordzugs ist zudem, dass das Team rund um das Projekt hauptsächlich aus Frauen bestand. Ein Umstand, der angesichts des sehr geringen Frauen-Anteils im Ingenieurwesen umso bemerkenswerter ist. Evelyn Thiel sagt über die fehlende Parität im Ingenieurwesen in einem Interview mit RailBusiness im Januar 2022: „Für mich stellte sich nie die Frage: Ist das jetzt eine Männerbranche oder eine Frauenbranche? Ich mache einfach das, was ich am besten kann – und was mir Spaß macht.“

Ihr Erfolgsrezept für Innovationen ist darüber hinaus „mutig sein und auch keine Scheu haben, neue Wege zu gehen“. Das, liebe Evelyn, ist wohl wahrer Ingenieurinnengeist.

Und der Prototyp? Der ist ein wahres Erfolgsmodell geworden: In diesem Jahr werden die ersten FLIRT Akku von der Nah.SH in Schleswig-Holstein in Betrieb genommen und die Deutsche Bahn möchte 2025 auf Grundlage des Modells in Rheinland-Pfalz und 2026 rund um Rostock als Teil des Verkehrsprojekts „Warnow II“ neue Batteriezüge auf die Gleise bringen. Auch in den USA soll Stadler einen auf den amerikanischen Markt zugeschnittenen Prototypen des FLIRT Akku entwickeln.

Wir freuen uns, solche tatkräftigen und mutigen Ingenieurinnen (Männer sind mitgemeint) in unserem Team zu haben und auch weiterhin mit so viel Frauenpower an alternativen, umweltfreundlichen Mobilitätslösungen zu arbeiten.